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Wie lebt es sich in einem Passivhaus?

Die wohl wichtigste Frage, die sich ein Bauherr stellt, ist die Frage nach dem Wohnwert im neuen Haus. Schränkt ein Passivhaus den Wohnwert ein? Schränkt ein Passivhaus die Bewohner im Vergleich zu einem Haus im Baustandard ein? Diese Fragen wollen wir gerne aus unserer Erfahrung beantworten.

Wir sind Anfang November 2003 in unser Haus eingezogen und leben nun seit 20 Jahren in diesem Haus.

Reicht die Leistung der Heizung aus? Das war die erste Frage, die wir selbst beim Bau unseres Hauses nicht beantworten konnten und unsicher waren. Beim Bau wurde zunächst ein 10m² großer thermischer Solarkollektor verbaut, ein 1000 Liter Pufferspeicher in den Keller gestellt und - weil keiner uns die Garantie gab - noch ein Erdkollektor für eine direktverdampfende Wärmepumpe verlegt. Wie schwach darf die Wärmepumpe sein?
Das erste Jahr lebten wir ohne Wärmepumpe. Die Restheizung übernahm der 5 KW Heizstab im Pufferspeicher. Es war fast ein Hobby, die genauen Verbrauchsdaten zu ermitteln. Im November 2004 wurde dann unsere Hoval Wärmepumpe geliefert. Und nun zur Frage: Ja, eine Wärmepumpe mit 1 KW elektrischer Leistung reicht aus, um den Restwärmebedarf zu decken.

Friert man im Winter in einem Passivhaus? Nein, bei uns friert man nicht, im Gegenteil. Wir sind was Wärme angeht verwöhnt. Von Oktober werden alle Wohnräume und Bäder auf 24 Grad Raumtemperatur beheizt, und das den ganzen Winter durch bis April. Barfuss laufen auf Cottoböden oder selbst im Keller, gar kein Thema. Ab April schauen wir, dass die Raumtemperatur nicht ansteigt, doch an extrem heissen Tagen (dieses Jahr gab es Tage mit 40 Grad Außentemperatur) sollte die Raumtemperatur nicht über 26 Grad steigen. Hier mussten wir seit 2006 gelegentlich etwas technisch nachhelfen :-)

Darf man mit einer Lüftungsanlage keine Fenster mehr öffnen? Niemand verbietet einem, ein Fenster zu öffnen und es wird auch kein Alarm ausgelöst. In den Sommermonaten sind in kühleren Nächten bei uns die Fenster wie bei anderen auch nachts geöffnet. Hier wird die Lüftungsanlage abgeschaltet. Aber wenn geheizt wird, ist es uneffektiv über Fensterlüftung frische Luft ins Haus zu bringen. Hier tauscht die Lüftungsanlage jede Stunde das Raumluftvolumen aus und gewinnt die Wärme aus der Abluft zum Grossteil zurück. Die Filter vor dem Erdwärmetauscher und im Lüftungsgerät halten gewisse Staubmengen zurück, jedoch benötigen die Lüfter umso mehr Strom, je besser die Filter sind (oder je verschmutzter). F4-Filter sind Standard, spezielle Pollenfilter haben wir schon getestet, für uns aber als unnötig eingestuft. Und ja, die Filter muss man alle 4-6 Monate wechseln. Am stärksten ist immer der Abluftfilter verschmutzt. Man hört es dem Lüftungsgerät an, wenn es frische Filter möchte :-)

Viele Geräte - hohe Wartungskosten... Nun, unsere Wärmepumpe läuft jetzt seit 15.12.2004, ohne dass jemand die Anlage angefasst hat. Keinerlei Wartungskosten. Unsere Lüftungsanlage reinigen wir selbst, Filter werden alle 5-6 Monate getauscht, wobei der Zuluftfilter zum Abluftfilter wird und nur der Abluftfilter dann entsorgt wird. Die Filter vor dem Erdwärmetauscher werden ausgewaschen, hier haben wir seit 2004 den dritten Filter im Einsatz. Den Erdwärmetauscher wollten wir schon seit einigen Jahren mal reinigen lassen, doch daran denken wir meist erst im Winter. Unsere thermische Solaranlage macht alle 3 Jahre mal Probleme, dass sich Luft im Kollektor sammelt und dann ein Bekannter die Anlage spült und das Wärmemedium tauscht. Also seit 15 Jahren laufen die Geräte ohne Wartung und ohne Kaminfegerkosten und der Strom kommt aus der Steckdose - Ökostrom von Lichtblick. Ergänzung 2022: Im November 2022 ist die Steuerung der Wärmepumpe ausgefallen und bisher nicht repariert.

Viele Geräte, komplizierte Steuerungen... Ja, dass viele Geräte im Einsatz sind, stimmt, doch unsere Haustechnik-Geräte haben keine eigenen Steuergeräte. Bei der Wärmepumpe wurde das Steuergerät zurückgegeben, bei der Lüftung und Solaranlage nicht gekauft, bei den Schiebeläden sind nur Steuergeräte für die Motoren vorhanden, die aber auch extern gesteuert werden, Pumpen für die Heizung oder für die Wasserzirkulation bzw. für den Solarkollektor haben ebenfalls keine geräteeigenen Steuergeräte wie auch die Jalousien. Die einzige intelligente Komponente ist unser EIB-Homeserver, alle Geräte und Einheiten werden mittels EIB (Bussteuerung) kontrolliert und zeitlich bzw. in Abhängigkeit von Messwerten ein- oder ausgeschaltet. Die Bedienung des EIB-Homeservers ist einfach, dieser hat eine serielle Schnittstelle, leider keine USB-Schnittstelle, weshalb ein altes Laptop hier zur Bedienung noch vorgehalten wird.
Natürlich ist man hier bei einem technischen Fehler auf einen kompetenten Anlagenelektroniker angewiesen, da jedoch Industriestandardkomponenten verbaut sind und wir mit Fa. Schnell/Neuenstein einen kompetenten Anlagentechnik-Fachbetrieb zur Hand haben, sind wir hier besser aufgestellt, als wenn herstellerspezifische Komponenten verbaut wären.

Ein Haus, in dem alles perfekt ist... Diese Aussage wäre übertrieben. Es gibt auch einige Dinge, die wir beim zweiten Hausbau anders realisiert hätten. Ein Beispiel ist hier, dass wir an den Fenstern der West- und Ostseite auf Beschattungstechnik verzichtet haben. Die Leistung der Sonne am frühen Morgen (bis 11 Uhr) und am Nachmittag ab 14 Uhr haben wir unterschätzt. Besonders im Sommer ist die fehlende Beschattung ein Problem, die Überhitzung der Räume zu verhindern. Bisher setzen wir hier eine "Bastellösung" ein (siehe Bilder links), da in die 20cm dicken Styropor- bzw. Glaswolldämmelemente nachträglich keine Jalousien eingebaut werden können - und - obwohl wir viele Leerrohre für zusätzliche Stromleitungen verlegt haben, hier keine Leitungen vorgesehen wurden.

Die technische Ausstattung jedes Raumes mit Ethernetdosen, TV-Anschlüssen, Telefondosen und Steckdosen sowie EIB-Taster wurde weit über dem Mass ausgeführt, wie das Häuser im Baustandard 2004 üblicherweise verbaut haben. Und trotzdem kommt es immer wieder vor, dass eine Dose mehr benötigt wird. Beispielsweise benötigt unser moderner Technisat-Satelittenreceiver und Fernseher inzw. drei TV-Anschlüsse, um gleichzeitig zwei Sendungen aufnehmen und parallel ein anderes Programm ansehen zu können. Mittels eines Splitters konnten wir eine Leitung mit zwei Signalen ausstatten.

Und sonst: Ja, es gibt noch einige Kleinigkeiten, die wir beim nächsten Haus anders realisieren würden, Thema Fussleisten, Thema Bad-Fliessen an der Wand, Thema Unterkellerung der Garage und das Thema Klimatisierung für den Sommer. Eine fest installierte und leise Klimaanlage zur Kühlung der Schafräume im Obergeschoss wäre ein Schmankerl.

Würden wir auf etwas verzichten? Wenn der Roboterstaubsauger Roborock S50 schon vor 17 Jahren erfunden worden wäre hätten wir auf den Zentralstaubsauer verzichtet, nun ist der Roborock unser neustes Spielzeug, auf den wir nicht mehr verzichten möchten. Er funktioniert auch ohne App und WLAN, zur Einrichtung aber hilfreich.

Energieverbrauch in 15 Jahren... wir haben anfänglich (siehe oben) sehr genau unseren Stromverbrauch erfasst, ab 2006 startete dann das Projekt Familie und damit wurde Zeit anders genutzt. Nach 15 Jahren haben wir aber nun statistisch genauere Messwerte: Zwischen dem 14.10.2004 und dem 08.08.2019 haben wir in Summe 85272 KWh (Haushaltsstrom+Heizung) Strom in unserem Haus verbraucht. Davon wurden zwischen dem 06.02.2006 und 08.08.2019 25219 KWh (13 Jahre, 5 Monate) durch die Wärmepumpe verbraucht, grob gerechnet 1880 KWh pro Jahr. gemäß unserem Energiebedarfsausweis weniger als die Hälfte, was ursprünglich für ein Energiesparhaus 40 gerechnet war (Nachweis war Grundlage für die KFW-Kredite), bei 315 m² fiktiver Nutzfläche dann ..... alles nur Zahlen

Unsere Photovoltaik-Anlage hat zwischen dem 24.03.2006 und dem 08.08.2019 in Summe 94266 KWh Strom ins Netz eingespeisst, also mehr, als wir seit 2004 an Strom in Summe verbraucht haben. Die Stromeinspeisung darf mann aber nicht mit dem Verbrauch verrechnen, denn die Anlage hat auch etwas gekostet. Fazit hier: Die Anschaffung hat sich Dank der Einspeisevergütung auch finanziell gelohnt.

Fazit: Für uns unverständlich, warum das Passivhaus noch nicht zum Baustandard geworden ist :-)